Sonderregelung schadet der Exportindustrie

Neue Zürcher Zeitung, 23.04.2008

Neue „Lex Pilatus“ untergräbt Glaubwürdigkeit der Schweiz als Wirtschaftspartner

Von Ständerat Peter Briner*

Mit der angekündigten Verschärfung der Ausfuhrkriterien für militärische Trainingsflugzeuge droht der Bundesrat nicht nur den Pilatus Flugzeugwerken zu schaden. Unter dem Verlust an Rechtssicherheit, Vertrauen und Verlässlichkeit leidet die Schweizer Exportwirtschaft als Ganzes. Statt im internationalen Wettbewerb mit unnötigen Alleingängen die eigene Konkurrenzfähigkeit zu schwächen, sollte sich die Schweiz an der europäischen Bewilligungspraxis orientieren.

Der Bundesrat beschloss kürzlich, die Bewilligungskriterien für den Export von militärischen Trainingsflugzeugen im Güterkontrollgesetz zu verschärfen. Für die Pilatus-Trainingsflugzeuge sollen künftig keine Ausfuhrbewilligungen mehr erteilt werden für Staaten, die sich in einem bewaffneten Konflikt befinden oder wenn das Risiko besteht, dass die Trainingsflugzeuge gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden. Diese unter medialem Druck zustande gekommene „Lex Pilatus“ wurde von Parteien, Verbänden und dem Regierungsrat des Kantons Nidwalden zu Recht kritisiert. Ist diese vordergründig wohl gutgemeinte Verschärfung nötig? Unter dem Güterkontrollgesetz ist heute eine ständige und strenge Kontrolle gewährleistet, alle völkerrechtlichen Bestimmungen werden respektiert und die aussen- und sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz bleiben berücksichtigt. Die seltenen Fälle missbräuchlicher Verwendungen sind bedauerlich, lassen sich aber weder bei Trainingsflugzeugen noch bei anderen Exportgütern ganz ausschliessen.

Nicht nur Pilatus betroffen

Die Pilatus Flugzeugwerke mit ihren 1300 Mitarbeitenden sind bei Weitem nicht die einzigen Leidtragenden des Bundesratsentscheids. Betroffen wäre die gesamte Schweizer Exportindustrie, mit all ihren Unter- und Zulieferanten. Denn für sie sind Verlässlichkeit, Vertrauen und Rechtssicherheit das A und O. Der Bundesrat schafft mit der neuen „Lex Pilatus“ einen Präzedenzfall gegen die eigene Industrie. Denn mit der angestrebten Gesetzesrevision wird eine Sonderregelung für ein einzelnes Produkt eingeführt. Damit wird den Forderungen nach weiteren Sonderbestimmungen Tür und Tor geöffnet. Heute ist es ein Trainingsflugzeug, morgen ein Simulator, übermorgen Dual-Use-Güter wie zum Beispiel elektronische oder optische Geräte.

Exportwirtschaft braucht gleich lange Spiesse

Die Verlässlichkeit der Schweiz als Wirtschaftspartner hängt direkt von der Rechtssicherheit ab. Die bundesrätliche Sonderregelung aber führt zu Interpretationsschwierigkeiten und schafft rechtliche Unsicherheit. Gesetzgebung und Bewilligungspraxis dürfen sich nicht ständig ändern. Wenn sich Kunden nicht mehr darauf verlassen können, dass ihre Schweizer Partner ihre Verpflichtungen einhalten und die bestellten Güter liefern können, werden sie sich nach Alternativen umsehen. Die ausländische Konkurrenz wird’s freuen. Auch aus der Optik der exportierenden Firmen sind verlässliche Rahmenbedingungen unverzichtbar. Die Schweiz darf die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen nicht durch eine Rechtsungleichheit gegenüber der ausländischen Konkurrenz schwächen. Sonst werden sich die betroffenen Firmen überlegen müssen, ob sie den Standort Schweiz nicht schliessen und die Produktion ins Ausland verlegen wollen.

Orientierung an der europäischen Bewilligungspraxis

Die geltende Export-Gesetzgebung der Schweiz ist massgeschneidert, umfassend und bewährt sich in der Praxis. Im Vergleich mit den meisten europäischen Staaten sind unsere Regeln für Rüstungsexporte sogar strenger. Die aktuell geltende Schweizer Gesetzgebung hält es mit den Trainingsflugzeugen so wie die meisten europäischen Staaten: keine Ausfuhrbewilligung, wenn ein internationales Embargo gegen ein Land besteht. Ein zusätzlicher Verweigerungsgrund würde der Schweizer Exportindustrie schaden, ohne der Bevölkerung des boykottierten Staates zu nützen. Will die Schweizer Exportwirtschaft international konkurrenzfähig bleiben, braucht sie verlässliche und mit der ausländischen Konkurrenz vergleichbare Rahmenbedingungen. Im Bereich der Rüstungsexporte muss sie sich deshalb an die europäische Bewilligungspraxis halten. Alleingänge sind fehl am Platz. Die vom Bundesrat angestrebte neue „Lex Pilatus“ ist daher abzulehnen.

* Der Autor ist unter anderem Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats (APK-SR) und des Arbeitskreises Sicherheit und Wehrtechnik.

Régime spécial nuit à l’industrie d’exportation

Neue Zürcher Zeitung, 23.04.2008

Newsflash

Indirekter Gegenvorschlag zur «Korrektur-Initiative» angenommen: Jetzt braucht es Planungssicherheit.

Die eidgenössischen Räte setzen der Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» (Korrektur-Initiative) einen noch weiterreichenden, indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Damit ist zwar der Rückzug der Initiative sicher, nicht aber die Exportbedingungen für Schweizer Produkte. Der Bund ist gefordert, rasch für Planungssicherheit zu sorgen.

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Medienmitteilung vom 24. März 2021: Zweimal NEIN zur Korrektur-Initiative und Gegenvorschlag

Der Bundesrat lehnt zu Recht die Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrektur-Initiative)» ab. Er stellt ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Doch damit wird eine sinnvolle, differenzierte und risikobasierte Güterabwägung im Umgang mit Export-bewilligungen von Rüstungsgütern praktisch verunmöglicht. Insbesondere Defensivwaffen, die dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen, könnten nicht mehr verkauft werden. Der asuw empfiehlt die Ablehnung von Initiative und indirektem Gegenvorschlag.

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Medienmitteilung vom 9. März 2021: Ausfuhr von Kriegsmaterial 2020

Der markante Anstieg der weltweiten Militärausgaben wirkt sich auch auf die Kriegsmaterialausfuhr der Schweiz aus

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