Rüstungsexportverbot gefährdet Sicherheit der Schweiz
Neue Zürcher Zeitung, 14.03.2008
Aufwuchskonzept der Armee bedingt eigene Rüstungskapazitäten
Mit der neuerlichen Verbotsinitiative für Rüstungsexporte setzen die Gruppe für eine Schweiz (GSoA) ohne Armee und ihre links-grünen Alliierten ihre bekannte Taktik zur Armeeabschaffung auf Raten fort. Ohne eigene Rüstungskapazitäten bliebe die Einsatzbereitschaft der Schweizer Armee selbst mit unsinnigem Beschaffungsaufwand im Ausland höchst unsicher, das Aufwuchskonzept würde zur Illusion. Die Initiative ist auch unnötig, weil das geltende strenge Schweizer Recht im Bereich der Rüstungsexporte umfassend ist und sich in der Praxis bewährt.
Von Nationalrat Markus Hutter*
Mit der am 21. September 2007 eingereichten Volksinitiative „für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten“ soll die Ausfuhr von Rüstungs- und besonderen militärischen Gütern verboten werden. Der Kreis der Initianten, zu dem auch die Sozialdemokratische und die Grüne Partei der Schweiz gehören, wird von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) angeführt. Damit wird auch gleich klar, worum es den Initianten geht. Mit dem Versuch, die noch bestehende Schweizer Rüstungsindustrie zu liquidieren, torpedieren sie einmal mehr die von Bundesrat, Parlament und dem Schweizer Volk getragene Sicherheitspolitik. Der Souverän hat seinen Willen zu einer eigenständigen, auf Bündnisfreiheit und Milizarmee basierenden Sicherheitspolitik in allen Abstimmungen seit 1989 klar bestätigt. Ein Rüstungsexportverbot wurde letztmals 1997 mit 77,5 der Stimmen und von allen Ständen an der Urne zu Recht verworfen. Eine Annahme der aktuellen Initiative würde das wirtschaftliche Ende der verbleibenden selbständigen Schweizer wehrtechnischen Industrie bedeuten. Denn diese ist zwingend auf Exportmöglichkeiten angewiesen. Der Heimmarkt ist per se klein und in den letzten Jahren sogar noch deutlich geschrumpft.
Ohne Rüstungskapazitäten kein Aufwuchs
Um in nützlicher, der jeweiligen Bedrohung angepasster Frist die materielle Grund-Einsatzbereitschaft der Armee sicherstellen zu können, braucht es eine berechenbare und vorausschauende Rüstungspolitik und die Möglichkeit, auf Ressourcen im eigenen Land zurückgreifen zu können. Auch das für den Unterhalt und die Reparatur von Ausrüstung und Bewaffnung notwendige Know-how könnte ohne eigene industrielle Kapazitäten nicht gewährleistet werden. Die Alternativen wären eine mit unserer Sicherheitspolitik nicht zu vereinbarende totale Auslandabhängigkeit oder der neuerliche Aufbau einer horrend teuren staatlichen Rüstungsindustrie ohne Exportmöglichkeiten. Mit dem im Entwicklungsschritt 08/11 vom Bundesrat postulierten Rückbau der Kernkompetenz Verteidigung und dem Abbau der Verteidigungskräfte auf so genannte Aufwuchskerne rückt die technologische Basis dieser Aufwuchskerne noch stärker in den Fokus. Sollte sich die Bedrohungslage dereinst wieder verschärfen und müssten die militärischen Verteidigungsanstrengungen wieder verstärkt werden, müsste die Armee wieder (auf-)wachsen können. Zum Aufwuchs gehört neben Personal, Organisation und Ausbildung insbesondere die materielle Aufwuchsfähigkeit mit Ausrüstung, Bewaffnung und Trainingsgerät. Fehlt die Fähigkeit, die Ausrüstung der Armee bei Verschärfung der Sicherheitslage zumindest teilweise aus eigener Kraft sicherzustellen, so kollabiert das ganze Aufwuchskonzept.
Auslandabhängigkeit verträgt sich nicht mit unserer Sicherheitspolitik
Die Hoffnung, man könne sich im Ausland die nötige Ausrüstung beschaffen, ist trügerisch, weil sich im Bedrohungsfall jedes Land zuerst um die eigenen Bedürfnisse kümmern wird. Die Schweiz stünde allein oder sähe sich gegen ihren Willen zu sicherheitspolitischen Konzessionen gezwungen. Wenn die Schweizer Armee den verfassungsmässigen Verteidigungsauftrag nicht mehr erfüllen kann, führt der Weg zwangsläufig Richtung stärkerer Zusammenarbeit mit Verteidigungsbündnissen. Auch dies gilt es zu vermeiden. Die Konsequenzen einer Annahme der GSoA-Initiative wögen schwer: Ohne Exportfähigkeit keine Schweizer Wehrindustrie, ohne eigene Schweizer Wehrtechbasis kein glaubwürdiger Aufwuchs, ohne Aufwuchs keine unabhängige Sicherheitspolitik.
Nicht nur Waffen betroffen
Die Initianten wollen auch die Ausfuhr von so genannten besonderen militärischen Gütern verbieten. Das sind Güter, die für militärische Zwecke konzipiert worden sind, die aber weder Waffen noch sonstige Mittel zur Kriegführung sind. Obwohl ursprünglich für militärische Zwecke konzipiert, finden viele dieser Produkte auch bei der Polizei oder im Zivilen Verwendung: z.B. Schutzkleidung (Personenschutz), Chiffriergeräte (Datenübermittlung), Wärmebildgeräte (Verbrechensbekämpfung), Vermessungsgeräte (Strassenbau). Im Falle einer Annahme der GSoA-Initiative müssten zahlreiche hochspezialisierte Schweizer Unternehmen aus der Maschinen-, Chemie- und Elektroindustrie sowie unzählige Zulieferbetriebe schliessen oder die Produktesparten aufgeben und ihre Betriebe restrukturieren.
Flexible Rüstungskontrolle greift
Die geltende Schweizer Gesetzgebung für Rüstungsexporte genügt einem hohen ethischen Standard und entspricht den westlichen Massstäben. Sie ermöglicht den Schweizer Behörden, jedes Ausfuhrgesuch individuell, das heisst länder- und materialspezifisch, aber nach klaren Kriterien zu beurteilen. Die Klarheit der Bewilligungskriterien führt dazu, dass mit unseren Standards nicht zu vereinbarende Exportvorhaben gar nicht erst eingereicht werden oder dann bei den Vorabklärungen oder im Bewilligungsverfahren hängenbleiben. Den jüngsten Beweis für die funktionierende Exportgesetzgebung lieferte der Bundesrat am 14. November 2007. Er beschloss, eine im Dezember 2006 von ihm erteilte Ausfuhrbewilligung für 21 Fliegerabwehrsysteme mit Munition wegen der bedauerlichen politischen Entwicklung in Pakistan zu suspendieren. Jegliche Verschärfung der Gesetzgebung ist schädlich und unnötig.
* Der Autor ist Mitglied des Arbeitskreises Sicherheit und Wehrtechnik (asuw), dem rund vierzig Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft angehören.